Wie in dem letzten Beitrag angekündigt, möchte ich nachfolgend meine Gedanken zu der neuen La Marzocco Linea Micra teilen. Meine Micra kam Mitte November bei mir an und ist seitdem bei mir im Einsatz. Ich habe mir ganz bewusst mit diesem Beitrag Zeit gelassen, um mir ein fundiertes Bild der Maschine zu machen und nicht nur die ersten schnellen Eindrücke in die Welt zu schicken.
Seit der Vorstellung der Linea Micra haben mich vielen Nachrichten und E-Mails mit sehr ähnlichen Fragen erhalten: „Soll ich mir eine Linea Micra oder eine Linea Mini kaufen?“ „Soll ich meine Linea Mini gegen eine Linea Micra tauschen?“, „Ist die Linea Micra ein Downgrade im Vergleich zu Linea Mini?“, „Wird es eine Nadelventil Kit für die Linea Micra geben?“ Ich werde versuchen, auf viele dieser Fragen zu Antworten und einen Vergleich zwischen den beiden Maschinen zu geben. Bei manchen Punkten kann ich mir gut vorstellen, dass so mancher Leser die Augen verdreht und diese Dinge also unnötig oder zu pingelig abtut.
Erste Eindrücke:
Als ich die Maschine vom Paketboten übernommen habe, fielen mir zwei offensichtliche Dinge im Vergleich zur Linea Mini direkt ins Auge – das Gewicht und die kompakte Größe. Dieser Eindruck verstärkte sich beim Auspacken und Aufstellen der Maschine. Mit den Maßen von 35,7 cm x 37,7 cm x 45,5 cm (Breite x Höhe x Tiefe) und einem Gewicht von etwa 14 kg lässt sie sich wirklich gut alleine bewegen. (Keine Sorge, ich werde im Weiteren nicht alle technischen Daten aufgreifen, die man bereits in diversen anderen Artikeln findet.)
Ich platziere alle Espressomaschinen, die bei mir zu Besuch sind, immer am gleichen Platz. Dort standen neben vielen vielen Linea Minis auch schon eine GS3 MP. Sowohl die GS3, als auch die Linea Mini haben dort gut Platz gefunden, aber mit dem restlichen Zubehör wir Abschlagbehälter, Tamper und Mühle wurde es dann schon sehr eng. Anders bei der Linea Micra hier finden die benötigen Zubehörteile problemlos in der Umgebung platz. Dies ist für mich ein ganz klarer Pluspunkt für die Linea Micra. Gerade wenn die Maschine in der Küche aufgestellt wird und nicht unbegrenzt Platz zur Verfügung steht oder die Maschine unter einem Hängeschrank platziert werden muss, hat die Linea Micra einen klaren Vorteil gegenüber der Linea Mini.
Obgleich die Linea Micra deutlich kleiner ausfällt als die Linea Mini, finde ich, dass sie dennoch die Optik der Linea Mini gut weiterführt. Selbstverständlich müssen beim Reduzieren der Baugröße auch einige Kompromisse in Kauf genommen werden.Gerade beim Tank und der Abtropfschalte hatte ich sorge, dass mich das reduzierte Volumen im Alltag stören wird. Beim Tank ist dies nicht der Fall. Gerade wenn die Maschine eher für Espresso eingesetzt wird, komme ich nicht in die Not, übermäßig oft nachzufüllen. Bei der Abtropfschale musste ich mein Verhalten doch etwas anpassen. Über die Jahre habe ich mir angewöhnt, den Siebträger nach dem Bezug noch einmal mit Wasser aus der Brühgruppe durchzuspülen. Bei der Linea Micra ist dadurch die Abtropfschale recht schnell gefüllt. Dies wäre an für sich noch kein Problem, vor allem da nun ja der Füllstand mit einem roten Schwimmer angezeigt wird. Sobald es aber darum geht, Milch aufzuschäumen und man zuvor überschüssiges Kondenswasser ablässt, habe ich bei den ersten Versuchen eine nette Sauerei produziert. Hier wird sich allerdings ein Workaround finden oder die Maschine einfach an das Abwasser angeschlossen.
Ich habe meine Maschine zunächst ohne die App in Betrieb genommen. Die Inbetriebnahme per se lief problemlos. Auch die vorab eingestellte Temperatur war für mich für die ersten Bezüge in Ordnung. Beim Aufheizen spielt die Linea Micra die Vorteile des anderen Boilerkonzepts aus und ist wirklich schnell auf Temperatur. Dies führte dazu, dass ich in enalog zu meiner Eigenbaumaschine auch die Linea Micra zwischen den einzelnen Bezügen ausgeschaltet habe.
Mit den Bezügen war ich von vornherein zufrieden. Wie bereits zu erwarten war, gibt es hier im Vergleich zu einer werksseitigen Linea Mini keine Überraschung. Im Vergleich zu einer Linea Mini mit dem Nadelventil Kit muss man leider festhalten, das hier geschmacklich bei den getesteten Bohnen doch ein gewaltiger Unterschied in der Ausgewogenheit der Bezüge festzustellen ist/war. Nicht einmal einen Tag nach Anlieferung der Maschine wurde ihr deshalb ebenfalls ein Nadelventil spendiert. Hierzu werde ich in einem gesonderten Beitrag eingehen. Kurz umrissen kann man festhalten, dass der Effekt des Nadelventils eins zu eins auch bei der Linea Micra zur Geltung kommt ich deshalb ein Nadelventil Kit für die Linea Micra entwickeln und anbieten werde.
Linea Micra und Milchgetränke
Falls der Fokus ausschließlich auf Getränken ohne Milch liegt, kann der nachfolgende Absatz getrost übersprungen werden. Nun kommen wir zu den Kompromissen, die ich oben angesprochen habe. Ich verwende seit Jahren eine Acaia Lunar mit einer aus Holz gefrästen Platte, um auf der Waage zwei (Cappuccino) Tassen abstellen zu können. Wenn ich diesen Aufbau bei der Linea Micra nutze, habe bei Espressotassen überhaupt keine Sorge. Diese finden unter dem Siebträger mit 2er Auslauf wunderbar platz. Ebenfalls eine Cappuccinotasse hat unter dem bodenlosen Siebträger platz. Sofern es allerdings darum geht, zwei Cappuccino Tassen auf der Waage in Verbindung mit dem Doppelauslauf zu verwenden, stößt man leider an die Grenzen des Bauraums unter dem Balkon der Maschine. Es muss also entweder auf die Waage verzichtet – oder die beiden Tassen zwischen Waage und dem Auslauf eingefädelt werden.
Ebenfalls muss ich sagen, dass für mich die kompakte Bauform der Dampflanzesehr ungewohnte ist. Es gelingt ein wunderbarer, feinporiger Milchschaum. Das Handling ist für mich allerdings weniger angenehm als bei der Linea Mini. Gerade auch das oben beschriebene Abdampfen in die Abtropfschale und die etwas geringere Dampfpower stellen für mich einen Kompromiss dar. Ich gebe gerne zu, dass ich hier verwöhnt bin, aber wenn der Fokus auf die Herstellung vieler Milchgetränke in Verbindung mit dem Doppelauslauf und großen Tassen liegt, sehe ich hierbei die Linea Mini klar vorne.
Espresso only – Arbeiten mit deaktivierten Dampfboiler
Eine Funktion, die mir bislang bei den Linea Minis immer gefehlt hat und die ich bei meiner Eigenbaumaschine realisiert habe, ist das Deaktivieren des Dampfboilers. Bei meiner eigenen Maschine habe ich hierfür die Heizleistung des Brühboilers drastisch erhöht. Durch das neue Boilerkonzept der Linea Micra in Verbindung mit der angepassten Wasserführung im Brühboiler der Micra muss ich sagen, dass ich damit auf einen Bezug gesehen zufrieden bin. Hierzu gibt es auch von anderen Leuten Messungen der Temperaturen. Wenn ich Besuch habe und mehrere Bezüge am Stück gemacht werden, würde ich den Dampfboiler aber immer anschalten, um das Wasser darüber vorzuwärmen. Womit wir nun bei dem einzigen Punkt wären, der mich wirklich an der Maschine stört
Die APP und wozu man sie braucht
Bislang konnte ich nur über Feinheiten mäkeln, die mich nur am Rande stören. Die App ist für mich (Stand 29.11.2022) aber eine Sache, die gar nicht in das positive Gesamtbild der Maschine passt. Bei der Linea Mini habe ich bislang oft Maschinen ohne IOT und somit ohne APP im Einsatz gehabt. Falls die Maschine IOT hatte, wurde die App einmalig genutzt, um sicherzustellen, dass das werkseitige „PreBrew“ deaktiviert ist.Das dort diverse andere Dinge eingestellt werden konnten, hatte für mich in meinem Workflow keine Relevanz.
Bei der Linea Micra ist nun das Temperaturrädchen verschwunden, sodass ich mir nun doch mein Handy schnappen musste und die App reaktivierte. Die Maschine wurde direkt gefunden und mir auch sogleich die Kernfunktionen angezeigt. Leider musste ich feststellen, dass man in der App zwar die Temperatur exakt einstellen kann, aber mir dennoch keine IST-Werte angezeigt werden, sondern nur die eingestellte SOLL-Temperatur. Hier wird aus meiner Sicht potenzial verschenkt. In dieser Konstellation muss ich sagen, dass mir eine Einstellung an der Maschine besser gefallen hätte. Obgleich ich persönlich selten an der Temperatur etwas verändere und somit mit der App Lösung leben kann
Ebenfalls wird die App für die Einstellungen am Dampfboiler genutzt. Dieser kann Ein/Aus geschalten werden und zudem sind 3 verschiedene Stufen verfügbar. Das Einstellen der Stufe ist bei mir analog zum Verstellen des Presostats eine Sache, die sehr selten gemacht wird. Was mir aber täglich An und Aus gestellt wird, ist der Dampfboiler. Dies ist für mich eine Funktion, die ohne App direkt an der Maschine bedienbar sein muss. Denn selbst wenn man das Handy bei sich hat, muss ich leider festhalten (Stand 29.11.2022), dass ich oftmals den Dampf nicht ausgeschaltet habe, da die APP ein Verbindungsproblem mit der Maschine hatte,die App ein erneutes Log-in wollte oder einfach sehr langsam reagiert hat.
Bei der Anzeige der Bezugsdauer über die App hängte sich zudem der Timer einige Male auf. Ich bleibe also dabei, dass in meinem Workflow weder mein Handy noch ein Tablett eine Rolle spielen.
Der neue Siebträger
Ein Bauteil, welches heiß diskutiert wird, ist der neue Siebträger. Ich finde es klasse, dass bei der Micra auch neue Wege gegangen wurden, um die Aufheizzeit zu reduzieren. Auch das Konzept mit dem herausnehmbaren Boden finde ich sehr interessant. Was mich persönlich stört, sind folgende andere Dinge
Das Material des Grundkörpers. Ich bin großer Fan der Edelstahl La Marzocco Siebträger. Diese lassen sich einfach reinigen und sehen auch nach Jahren noch aus wie neu. Der mitgelieferte Siebträger der Linea Micra ist leider, ähnlich wie die bodenlosen Siebträger von La Marzocco, aus verchromten Messing. Gerade da nur ein Siebträger mitgelieferten werden muss, hätte ich es schön gefunden, wenn der Grundkörper aus Edelstahl wäre.
Die Bajonettflügel: Neben dem Material ist leider auch die Dicke der Flügel des Bajonettverschlusses anders. Dies führte dazu, dass analog zu dem bodenlosen Siebträger von La Marzocco, der Siebträger sich anders einspannen lässt. Möchte mal zum Beispiel einen La Marzocco Edelstahl Siebträger einspannen, muss dieser um einiges weiter gedreht werden.
Tampen mit dem montierten 2er Auslass: Ich tampe grundsätzlich auf der Tampingstation in meiner EK43. Bei den Edelstahl Siebträgern der Linea Mini habe ich hierbei sicheren Stand des Siebträgers. Bei der neuen Konstruktion fällt dies leider um einiges wackeliger aus.
Verarbeitungsqualität der Linea Micra im Vergleich zur Linea Mini
Bei der Verarbeitungsqualität kann ich natürlich nur von meiner Maschine mit einer sehr niedrigen Seriennummer sprechen. Die Oberfläche meiner schwarzen Maschine würde ich als in Ordnung bezeichnen. Was mir aber leider direkt negativ aufgefallen ist, dass die Schlitz-Schrauben, die die Gehäuseteile halten, zum Teil starke Macken und Riefen aufweisen. Hier würde bei der Montage keinerlei wert auf ordentliches Arbeiten gelegt.
Im Zuge der Entwicklung des Nadelventil Kits musste ich zudem in Inneren meiner Maschine feststellen, dass einige Silikonschläuche, ohne Not, so verlegt wurden, dass Sie abgeknickt werden. Zum Teil wurden zwar Maßnahmen ergriffen, die ein Abknicken verhindern. Allerdings wurde dies nicht konsequent durchgezogen. Ebenfalls musste ich leider feststellen, dass diverse Bleche an der Maschine nicht entgratet wurden und somit scharfkantig sind und bei meiner Maschine das Tassengitter stark verzogen ankam. Gerade bei einer Maschine im gehobenen Preissegment empfinde ich eine gewisse Vorsicht beim Zusammenschrauben der Maschine (Stichwort Schraubenköpfe) als Qualitätsmerkmal.
Völlig wertneutral betrachte ich die große Anzahl an Halterungen und Formteilen aus Kunststoff im Inneren der Maschine. Ich denke, dass diese einen Beitrag dazu leisten, dass die Maschine kostengünstiger produziert werden kann. Ich hoffe, dass die Bauteile auch nach vielen Jahren im inneren der Maschine die erforderlichen mechanischen Eigenschaften erhalten. Gerade bei Schlauchverbindern aus Kunststoff fürchte ich jedoch, dass diese auf Dauer ersetzt werden müssen. (Falls Interesse besteht, kann ich hierfür ein Austauschset bereitstellen)
Was mir persönlich überhaupt nicht gefällt, ist die Fixierung der Brühgruppenabdeckung. Anders als bei der Linea Mini wird die Kappe nicht mehr verschraubt, sondern nur eingeklickt. Bei meiner Maschine sorgt dies dafür, dass die Kappe nicht flächig an der Maschinenfront anliegt. Ich für meinen Teil muss sagen, dass mir sowohl das Paddle als auch die Brühgruppenabdeckung nicht ganz so gut gefallen. Hier wird an meiner Maschine auf jeden Fall eine andere Formgebung in Verbindung mit Holz getestet. Ebenfalls habe ich an meiner Maschine direkt Edelstahlfüße mit einer Höhe von 25mm montiert, welche mir in der Konstellation sehr gut gefallen.
Für wen ist die Linea Micra die richtige Maschine?
Ich habe in letzter Zeit oft gelesen, dass aufgrund des geringeren Preises der Linea Micra nun keiner mehr eine Linea Mini kaufen wird. Ich persönlich bin von der Linea Micra überzeugt und nur sehr wenige Dinge stören mich an ihr (siehe “Nachteil der Linea Micra” weiter unten). Zudem bin ich nach dem Umbau meiner Micra auf das Nadelventil auch von der Qualität der Bezüge begeistert.
Für mich hat die Linea Mini weiterhin ihre Daseinsberechtigung. In den letzten Jahren hatte ich viele Linea Minis offen und es wurden viele Kits verbaut. All diese Maschinen laufen, laufen und laufen. Gerade die älteren Maschinen ohne das IOT Modul empfinde ich als sehr robuste Maschine. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass die Gebrauchtpreise der Linea Mini etwas nachgeben, sodass man zu einem Fairen eine Linea Mini ergattern kann.
Bei der Entscheidungsfindung, welche Maschine aus dem La Marzocco Portfolio die richtige ist, würde ich nach dem Ausschluss verfahren an die Sache herangehen:
In einem privaten Umfeld macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, eine GS3 (egal ob AV oder MP) zu betreiben. (Hier ist für mich der Platzbedarf und auch der Stromverbrauch ein klares K. O. Kriterium. )
Wenn ausschließlich / viele Milchgetränke bezogen werden, würde ich persönlich ganz klar zu einer Linea Mini greifen. (Sehr gerne auch gebraucht und ohne IOT Modul.)
In allen anderen Fällen und gerade auch als Einstieg bei La Marzocco ist die Linea Micra das Mittel der Wahl.
Ich persönlich würde die Linea Micra jeder E61 Maschine vorziehen.
Kurz und knapp zusammengefasst
Vorteile der Linea Micra
Geringe Platzbedarf durch kompakte Bauform
Qualität der Bezüge auf dem Niveau der Linea Mini
Deutlich günstiger als die Linea Mini
Sehr schnelle Aufheizzeit
Dampfboiler kann ausgeschaltet werden
Nachteile der Linea Micra
Platz unter Brühgruppe sehr knapp bemessen
Kleine Abtropfschale
Entfall des Temperaturrädchens
Deaktivieren des Dampfboilers nur über App möglich
Steuerung per App zum Teil problematisch
Verarbeitungsqualität meiner Maschine unterhalb der Linea Mini
Vorteile Linea Mini
große Tassen haben mehr Platz unter der Brühgruppe
Mehr Dampfleistung und größere Dampflanze (für mich besser beim Schäumen)
Sehr stabil konstruiert, leicht zu warten und zu reparieren
schnelle Aufheizzeit im Bezug auf die meisten anderen Maschinen auf dem Markt
bewährte Edelstahl Siebträger
Nachteile Linea Mini
Größere Platzbedarf
Höherer Anschaffungspreis
Dampfboiler momentan nicht werksseitig abschaltbar
Übereinstimmungen beider Maschinen
“Geringer” Energieverbrauch
In Verbindung mit dem Nadelventil auf Augenhöhe mit den Flaggschiffen am Markt.
La Marzocco Linea Micra – Erfahrungsbericht
Wie in dem letzten Beitrag angekündigt, möchte ich nachfolgend meine Gedanken zu der neuen La Marzocco Linea Micra teilen.
Meine Micra kam Mitte November bei mir an und ist seitdem bei mir im Einsatz. Ich habe mir ganz bewusst mit diesem Beitrag Zeit gelassen, um mir ein fundiertes Bild der Maschine zu machen und nicht nur die ersten schnellen Eindrücke in die Welt zu schicken.
Seit der Vorstellung der Linea Micra haben mich vielen Nachrichten und E-Mails mit sehr ähnlichen Fragen erhalten: „Soll ich mir eine Linea Micra oder eine Linea Mini kaufen?“ „Soll ich meine Linea Mini gegen eine Linea Micra tauschen?“, „Ist die Linea Micra ein Downgrade im Vergleich zu Linea Mini?“, „Wird es eine Nadelventil Kit für die Linea Micra geben?“
Ich werde versuchen, auf viele dieser Fragen zu Antworten und einen Vergleich zwischen den beiden Maschinen zu geben. Bei manchen Punkten kann ich mir gut vorstellen, dass so mancher Leser die Augen verdreht und diese Dinge also unnötig oder zu pingelig abtut.
Erste Eindrücke:
Als ich die Maschine vom Paketboten übernommen habe, fielen mir zwei offensichtliche Dinge im Vergleich zur Linea Mini direkt ins Auge – das Gewicht und die kompakte Größe. Dieser Eindruck verstärkte sich beim Auspacken und Aufstellen der Maschine. Mit den Maßen von 35,7 cm x 37,7 cm x 45,5 cm (Breite x Höhe x Tiefe) und einem Gewicht von etwa 14 kg lässt sie sich wirklich gut alleine bewegen. (Keine Sorge, ich werde im Weiteren nicht alle technischen Daten aufgreifen, die man bereits in diversen anderen Artikeln findet.)
Ich platziere alle Espressomaschinen, die bei mir zu Besuch sind, immer am gleichen Platz. Dort standen neben vielen vielen Linea Minis auch schon eine GS3 MP. Sowohl die GS3, als auch die Linea Mini haben dort gut Platz gefunden, aber mit dem restlichen Zubehör wir Abschlagbehälter, Tamper und Mühle wurde es dann schon sehr eng. Anders bei der Linea Micra hier finden die benötigen Zubehörteile problemlos in der Umgebung platz. Dies ist für mich ein ganz klarer Pluspunkt für die Linea Micra. Gerade wenn die Maschine in der Küche aufgestellt wird und nicht unbegrenzt Platz zur Verfügung steht oder die Maschine unter einem Hängeschrank platziert werden muss, hat die Linea Micra einen klaren Vorteil gegenüber der Linea Mini.
Obgleich die Linea Micra deutlich kleiner ausfällt als die Linea Mini, finde ich, dass sie dennoch die Optik der Linea Mini gut weiterführt. Selbstverständlich müssen beim Reduzieren der Baugröße auch einige Kompromisse in Kauf genommen werden. Gerade beim Tank und der Abtropfschalte hatte ich sorge, dass mich das reduzierte Volumen im Alltag stören wird.
Beim Tank ist dies nicht der Fall. Gerade wenn die Maschine eher für Espresso eingesetzt wird, komme ich nicht in die Not, übermäßig oft nachzufüllen. Bei der Abtropfschale musste ich mein Verhalten doch etwas anpassen. Über die Jahre habe ich mir angewöhnt, den Siebträger nach dem Bezug noch einmal mit Wasser aus der Brühgruppe durchzuspülen. Bei der Linea Micra ist dadurch die Abtropfschale recht schnell gefüllt. Dies wäre an für sich noch kein Problem, vor allem da nun ja der Füllstand mit einem roten Schwimmer angezeigt wird. Sobald es aber darum geht, Milch aufzuschäumen und man zuvor überschüssiges Kondenswasser ablässt, habe ich bei den ersten Versuchen eine nette Sauerei produziert. Hier wird sich allerdings ein Workaround finden oder die Maschine einfach an das Abwasser angeschlossen.
Ich habe meine Maschine zunächst ohne die App in Betrieb genommen. Die Inbetriebnahme per se lief problemlos. Auch die vorab eingestellte Temperatur war für mich für die ersten Bezüge in Ordnung. Beim Aufheizen spielt die Linea Micra die Vorteile des anderen Boilerkonzepts aus und ist wirklich schnell auf Temperatur. Dies führte dazu, dass ich in enalog zu meiner Eigenbaumaschine auch die Linea Micra zwischen den einzelnen Bezügen ausgeschaltet habe.
Mit den Bezügen war ich von vornherein zufrieden. Wie bereits zu erwarten war, gibt es hier im Vergleich zu einer werksseitigen Linea Mini keine Überraschung. Im Vergleich zu einer Linea Mini mit dem Nadelventil Kit muss man leider festhalten, das hier geschmacklich bei den getesteten Bohnen doch ein gewaltiger Unterschied in der Ausgewogenheit der Bezüge festzustellen ist/war. Nicht einmal einen Tag nach Anlieferung der Maschine wurde ihr deshalb ebenfalls ein Nadelventil spendiert. Hierzu werde ich in einem gesonderten Beitrag eingehen. Kurz umrissen kann man festhalten, dass der Effekt des Nadelventils eins zu eins auch bei der Linea Micra zur Geltung kommt ich deshalb ein Nadelventil Kit für die Linea Micra entwickeln und anbieten werde.
Linea Micra und Milchgetränke
Falls der Fokus ausschließlich auf Getränken ohne Milch liegt, kann der nachfolgende Absatz getrost übersprungen werden. Nun kommen wir zu den Kompromissen, die ich oben angesprochen habe. Ich verwende seit Jahren eine Acaia Lunar mit einer aus Holz gefrästen Platte, um auf der Waage zwei (Cappuccino) Tassen abstellen zu können. Wenn ich diesen Aufbau bei der Linea Micra nutze, habe bei Espressotassen überhaupt keine Sorge. Diese finden unter dem Siebträger mit 2er Auslauf wunderbar platz. Ebenfalls eine Cappuccinotasse hat unter dem bodenlosen Siebträger platz. Sofern es allerdings darum geht, zwei Cappuccino Tassen auf der Waage in Verbindung mit dem Doppelauslauf zu verwenden, stößt man leider an die Grenzen des Bauraums unter dem Balkon der Maschine. Es muss also entweder auf die Waage verzichtet – oder die beiden Tassen zwischen Waage und dem Auslauf eingefädelt werden.
Ebenfalls muss ich sagen, dass für mich die kompakte Bauform der Dampflanze sehr ungewohnte ist. Es gelingt ein wunderbarer, feinporiger Milchschaum. Das Handling ist für mich allerdings weniger angenehm als bei der Linea Mini. Gerade auch das oben beschriebene Abdampfen in die Abtropfschale und die etwas geringere Dampfpower stellen für mich einen Kompromiss dar. Ich gebe gerne zu, dass ich hier verwöhnt bin, aber wenn der Fokus auf die Herstellung vieler Milchgetränke in Verbindung mit dem Doppelauslauf und großen Tassen liegt, sehe ich hierbei die Linea Mini klar vorne.
Espresso only – Arbeiten mit deaktivierten Dampfboiler
Eine Funktion, die mir bislang bei den Linea Minis immer gefehlt hat und die ich bei meiner Eigenbaumaschine realisiert habe, ist das Deaktivieren des Dampfboilers. Bei meiner eigenen Maschine habe ich hierfür die Heizleistung des Brühboilers drastisch erhöht. Durch das neue Boilerkonzept der Linea Micra in Verbindung mit der angepassten Wasserführung im Brühboiler der Micra muss ich sagen, dass ich damit auf einen Bezug gesehen zufrieden bin. Hierzu gibt es auch von anderen Leuten Messungen der Temperaturen. Wenn ich Besuch habe und mehrere Bezüge am Stück gemacht werden, würde ich den Dampfboiler aber immer anschalten, um das Wasser darüber vorzuwärmen. Womit wir nun bei dem einzigen Punkt wären, der mich wirklich an der Maschine stört
Die APP und wozu man sie braucht
Bislang konnte ich nur über Feinheiten mäkeln, die mich nur am Rande stören. Die App ist für mich (Stand 29.11.2022) aber eine Sache, die gar nicht in das positive Gesamtbild der Maschine passt. Bei der Linea Mini habe ich bislang oft Maschinen ohne IOT und somit ohne APP im Einsatz gehabt. Falls die Maschine IOT hatte, wurde die App einmalig genutzt, um sicherzustellen, dass das werkseitige „PreBrew“ deaktiviert ist. Das dort diverse andere Dinge eingestellt werden konnten, hatte für mich in meinem Workflow keine Relevanz.
Bei der Linea Micra ist nun das Temperaturrädchen verschwunden, sodass ich mir nun doch mein Handy schnappen musste und die App reaktivierte. Die Maschine wurde direkt gefunden und mir auch sogleich die Kernfunktionen angezeigt. Leider musste ich feststellen, dass man in der App zwar die Temperatur exakt einstellen kann, aber mir dennoch keine IST-Werte angezeigt werden, sondern nur die eingestellte SOLL-Temperatur. Hier wird aus meiner Sicht potenzial verschenkt. In dieser Konstellation muss ich sagen, dass mir eine Einstellung an der Maschine besser gefallen hätte. Obgleich ich persönlich selten an der Temperatur etwas verändere und somit mit der App Lösung leben kann
Ebenfalls wird die App für die Einstellungen am Dampfboiler genutzt. Dieser kann Ein/Aus geschalten werden und zudem sind 3 verschiedene Stufen verfügbar. Das Einstellen der Stufe ist bei mir analog zum Verstellen des Presostats eine Sache, die sehr selten gemacht wird. Was mir aber täglich An und Aus gestellt wird, ist der Dampfboiler. Dies ist für mich eine Funktion, die ohne App direkt an der Maschine bedienbar sein muss. Denn selbst wenn man das Handy bei sich hat, muss ich leider festhalten (Stand 29.11.2022), dass ich oftmals den Dampf nicht ausgeschaltet habe, da die APP ein Verbindungsproblem mit der Maschine hatte, die App ein erneutes Log-in wollte oder einfach sehr langsam reagiert hat.
Bei der Anzeige der Bezugsdauer über die App hängte sich zudem der Timer einige Male auf. Ich bleibe also dabei, dass in meinem Workflow weder mein Handy noch ein Tablett eine Rolle spielen.
Der neue Siebträger
Ein Bauteil, welches heiß diskutiert wird, ist der neue Siebträger. Ich finde es klasse, dass bei der Micra auch neue Wege gegangen wurden, um die Aufheizzeit zu reduzieren. Auch das Konzept mit dem herausnehmbaren Boden finde ich sehr interessant. Was mich persönlich stört, sind folgende andere Dinge
Verarbeitungsqualität der Linea Micra im Vergleich zur Linea Mini
Bei der Verarbeitungsqualität kann ich natürlich nur von meiner Maschine mit einer sehr niedrigen Seriennummer sprechen.
Die Oberfläche meiner schwarzen Maschine würde ich als in Ordnung bezeichnen. Was mir aber leider direkt negativ aufgefallen ist, dass die Schlitz-Schrauben, die die Gehäuseteile halten, zum Teil starke Macken und Riefen aufweisen. Hier würde bei der Montage keinerlei wert auf ordentliches Arbeiten gelegt.
Im Zuge der Entwicklung des Nadelventil Kits musste ich zudem in Inneren meiner Maschine feststellen, dass einige Silikonschläuche, ohne Not, so verlegt wurden, dass Sie abgeknickt werden. Zum Teil wurden zwar Maßnahmen ergriffen, die ein Abknicken verhindern. Allerdings wurde dies nicht konsequent durchgezogen.
Ebenfalls musste ich leider feststellen, dass diverse Bleche an der Maschine nicht entgratet wurden und somit scharfkantig sind und bei meiner Maschine das Tassengitter stark verzogen ankam. Gerade bei einer Maschine im gehobenen Preissegment empfinde ich eine gewisse Vorsicht beim Zusammenschrauben der Maschine (Stichwort Schraubenköpfe) als Qualitätsmerkmal.
Völlig wertneutral betrachte ich die große Anzahl an Halterungen und Formteilen aus Kunststoff im Inneren der Maschine. Ich denke, dass diese einen Beitrag dazu leisten, dass die Maschine kostengünstiger produziert werden kann. Ich hoffe, dass die Bauteile auch nach vielen Jahren im inneren der Maschine die erforderlichen mechanischen Eigenschaften erhalten. Gerade bei Schlauchverbindern aus Kunststoff fürchte ich jedoch, dass diese auf Dauer ersetzt werden müssen. (Falls Interesse besteht, kann ich hierfür ein Austauschset bereitstellen)
Was mir persönlich überhaupt nicht gefällt, ist die Fixierung der Brühgruppenabdeckung. Anders als bei der Linea Mini wird die Kappe nicht mehr verschraubt, sondern nur eingeklickt. Bei meiner Maschine sorgt dies dafür, dass die Kappe nicht flächig an der Maschinenfront anliegt. Ich für meinen Teil muss sagen, dass mir sowohl das Paddle als auch die Brühgruppenabdeckung nicht ganz so gut gefallen. Hier wird an meiner Maschine auf jeden Fall eine andere Formgebung in Verbindung mit Holz getestet.
Ebenfalls habe ich an meiner Maschine direkt Edelstahlfüße mit einer Höhe von 25mm montiert, welche mir in der Konstellation sehr gut gefallen.
Für wen ist die Linea Micra die richtige Maschine?
Ich habe in letzter Zeit oft gelesen, dass aufgrund des geringeren Preises der Linea Micra nun keiner mehr eine Linea Mini kaufen wird. Ich persönlich bin von der Linea Micra überzeugt und nur sehr wenige Dinge stören mich an ihr (siehe “Nachteil der Linea Micra” weiter unten). Zudem bin ich nach dem Umbau meiner Micra auf das Nadelventil auch von der Qualität der Bezüge begeistert.
Für mich hat die Linea Mini weiterhin ihre Daseinsberechtigung. In den letzten Jahren hatte ich viele Linea Minis offen und es wurden viele Kits verbaut. All diese Maschinen laufen, laufen und laufen. Gerade die älteren Maschinen ohne das IOT Modul empfinde ich als sehr robuste Maschine. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass die Gebrauchtpreise der Linea Mini etwas nachgeben, sodass man zu einem Fairen eine Linea Mini ergattern kann.
Bei der Entscheidungsfindung, welche Maschine aus dem La Marzocco Portfolio die richtige ist, würde ich nach dem Ausschluss verfahren an die Sache herangehen:
Kurz und knapp zusammengefasst
Vorteile der Linea Micra
Nachteile der Linea Micra
Vorteile Linea Mini
Nachteile Linea Mini
Übereinstimmungen beider Maschinen
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